Berufung

„So ist es unsere Berufung,
ein Feuer zu sein,
das sich in kleinen Funken versprüht
und alles anzündet,
was ihm unterwegs an Brennbarem begegnet.“

(Madeleine Delbrêl 1904-1964)

Jeder hat eine Berufung?

Die Berufung eines Christen, einer Christin, ist durch die Taufe Gott und den Nächsten zu lieben.
Jeder Berufungsweg verläuft anders. Immer verbinden sich in einer Berufung die persönliche Erfahrung mit den eigenen Talenten, die persönliche Geschichte mit Jesus und die persönliche Deutung des Lebens und der Zukunftspläne.

Manche meinen, für eine Berufung brauche es eine spektakuläre Offenbarung Gottes, wie sie manchmal in der Bibel überliefert ist; zum Beispiel bei Mose in der Wüste, bei Maria durch einen Engel oder später bei Franz von Assisi und seinem Traum von der Kirche. Meist entfaltet sich eine Berufung aber weniger aufsehenerregend und wird erst im Laufe der Zeit klarer; sei es im Gespräch mit anderen, sei es durch Situationen, in denen einem nach und nach offenbar wird: Das also scheint meine Berufung zu sein!

Dahinter steckt ein Plan Gottes mit jedem einzelnen Menschen. Dieser hat drei Dimensionen:

  • Zum einen hat mich Gott durch sein schöpferisches Wort als sein Abbild geschaffen.
  • Zum Zweiten wurde ich in der Taufe zu seinem Kind. Durch Jesus Christus hat er mich — als seinen Jünger, als seine Jüngerin — zum Christsein berufen.
  • Und zum Dritten braucht Gott mich außerdem für den besonderen Dienst bei der Verkündigung des Evangeliums in der Kirche und in den vielen alltäglichen Situationen.

Es gilt, der eigenen Berufung nachzuspüren und zu entdecken, was Gott mit mir — mit mir ganz persönlich — vorhat. Wer sich immer wieder neu auf Gott einlässt und diesen Fragen nachgeht, der wird auch auf Antworten stoßen, die die eigene Berufung stärken und tragen.

Eine Berufung zum Karmel erkennen?

Es kann sein, dass ich in mir etwas entdecke, erspüre, was in meiner derzeitigen Lebenssituation nicht lebbar ist.

„Alles beginnt mit der Sehnsucht,
immer ist im Herzen Raum für mehr,
für Schöneres, für Größeres.“

So schreibt Nelly Sachs, ich spüre eine Sehnsucht, die mich fragen lässt, was kann dieses Größere sein, dieses Schönere. Eine Sehnsucht nach Tiefgang im Leben, nach Hingabe, nach etwas Unbeschreiblichen für das ich keine Worte finde. Diese Sehnsucht lässt mich innerlich unruhig und bewegt mich zu einer Suche. Eine Suche nicht außen, sondern in mir. Etwas was ich bisher nicht gefunden habe, etwas was mir abgeht.

Vielleicht kann die Lebensform des Karmel dieser Suche einen Weg geben? Der Karmel ist ein Weg der Innerlichkeit, die Entdeckung, dass Gott in mir da ist. Mit seiner Spiritualität gibt der Karmel dieser Sehnsucht nach Spiritualität Worte, Bilder, Erfahrungen, die in den Schriften der Karmelheiligen einen Ausdruck gefunden haben.

Ich kann die Schrift eines Karmelheiligen, der mich anspricht lesen, aber so, dass es nicht nur Theorie bleibt. Ich kann diese Spiritualität leben, in einer Laiengruppe in meiner Nähe beitreten (TKG Teresianische Karmel-Gemeinschaft Deutschland).

Ich kann Kontakt aufnehmen mit einem der Karmelitenklöster von Brüder oder Schwestern. Ich kann einige „Schnuppertage“ im Karmelitenkloster von Würzburg verbringen, um das Leben im Alltag kennenzulernen. (Erstmal zur Kontaktaufnahme nur für drei Tage, danach sind auch längere Aufenthalte zum Kennenlernen möglich.)

Der Karmel definiert sich nicht über eine Aufgabe, er ist kein Missions-, Lehr-oder Krankenpflegerorden, sondern durch das Dasein vor Gott und dem Engagement in der Seelsorge vor Ort oder die Brüder an der Pforte, in Sakristei oder Kirche, Küche oder Garten. Mit Absprache mit den Oberen sind auch andere Berufsausübungen möglich je nach Bedarf der Gemeinschaft.

Voraussetzungen

sind

  • Erfahrung im kath. Glauben und auch am Besten im kirchlichen Leben
  • abgeschlossene Berufsausbildung oder Abitur
  • realistische Selbsteinschätzung
  • ledig aber Gemeinschaftsfähigkeit
  • menschliche und christliche Reife
  • psychische und physische Gesundheit

Ausbildung

  • mindestens 6 Monate Postulat
  • 1 Jahre Noviziat, das mit dem Ablegen der Einfachen Profeß auf Zeit endet
  • die Feierliche Profeß macht man mindestens nach 3 Jahren spätestens nach 6 Jahren, mit der man sich für immer für das Leben im Karmel und in der deutschen Ordensprovinz entschließt. In dieser Zeit werden die Theologischen Studien (bei uns in der Regel an der Uni in Würzburg) abgelegt oder eine andere Ausbildung für die Brüderkandidaten gemacht (es gibt Priester- und Laienbrüder).

Das Zeugnis eines Karmeliten von seinem Berufungsweg

Ich habe schon früh die materiellen Lebensentwürfe meiner 7 älteren Geschwistern hinterfragt und wusste, so möchte ich nicht leben. Ich möchte nicht nur auf beruflichen Erfolg, Geld und Finanzen schauen müssen.

Zugleich war ich mit Begeisterung Ministrant. Durch den Dienst lernte ich einen älteren Priester kennen, der mich sehr beeindruckte, und dieser hat mir eines Tages und dann immer wieder mal die Frage gestellt: Du hast so Freude an deinem liturgischen Dienst. Möchtest Du nicht Priester werden? Diese Frage, die ich zuerst nicht beantworten konnte, ließ mich aber nicht in Ruhe. Ich dachte man braucht Abitur und ich hatte „nur“ Mittlere Reife.

Ich kannte die Karmeliten von klein auf, da es in unserer Gemeinde eine alte Skapulierbruderschaft gab, zu deren Fest Ende Juli jedes Jahr Karmeliten kamen und ich durfte Skapuliere und Medaillen für sie verkaufen.

Dennoch war die erste Ordensgemeinschaft auf den Rat des oben genannten Priesters die Benediktiner, die ich zuerst kennen lernte. Als ich in einer Benediktinerabtei als Interessent zu Besuch war, begegnete ich dort wieder einem Studenten der Karmeliten, der mich in das Karmelitenkloster einlud, von dem die Patres jedes Jahr zum Bruderschaftsfest kamen.

Bis dato hatte ich mit einem Jugendbrevier und Rosenkranz gelebt und hatte so mein Pensum an täglichen Gebeten. Durch Zufall blätterte ich, während ich in der Kirche mal wartete, dass die Sakristei geöffnet würde, im damaligen Gotteslob und entdeckte eine ganz kurze Beschreibung des Jesusgebetes, ansonsten wusste ich mit Stille nicht viel anzufangen. Ich probierte es gleich mal aus und es war eine Erfahrung der Gegenwart Gottes, die mir bis heute, manchmal zwar tief in der Seele, aber doch geblieben war.

Es war für mich wie eine Befreiung, Beten heißt nicht Quantität, je mehr umso besser, sondern bedeutet Qualität, je tiefer um so besser, und da ist manchmal weniger mehr. Beten ist zweckfreies Dasein — ich muss erst einmal nichts tun — sondern darf da sein vor meinem Gott und die Menschen, die sich meinem Gebet empfohlen haben, die Anliegen und Sorgen sind mit da, treten aber auch zurück gegenüber der Haltung: Gott du bist da und weil du da bist, kann ich vertrauen, dafür braucht es keinen Gedanken, kein Wort, kein Muß, keine Pflicht, sondern Liebe und Hingabe. Beten heißt einfach in Beziehung stehen. Einen Freund haben, der immer und treu für einen da ist!

Vor dem Altar der Karmelkönigin in der Kirche meiner Heimatgemeinde entschied ich mich, erst einmal mit dem Priester zu reden. Auf Jahre hin besuchte ich die Benediktinerabtei und das Karmelitenkloster in den Schulferien. Mein Pfarrer informierte mich, dass ich nicht unbedingt Abitur bräuchte um ins Kloster zu gehen und wenn, gäbe es immer noch Möglichkeiten des zweiten und auch dritten Bildungsweges.

Da war mir klar, ich möchte Karmelit und Priester werden, dazu aber machte ich erst das Abitur nach und trat dann in den Karmel ein. Die Karmelberufung ist eine schöne Berufung, die einem auch viel Freiheit schenkt durch den „Luxus“ der zwei Stunden Inneres Beten. Die Karmelspiritualität war für mich die Perle, die ich im Acker meines Lebens fand und für die ich gerne alles andere dran gebe. Ein oberflächlicher und materieller Lebensentwurf hätte mich nie so glücklich gemacht, trotz aller Schwierigkeiten, die es auch im Orden natürlich gibt, denn es ist Leben wie anderes Leben, eben auch mit Höhen und Tiefen. Jegliche Berufung ist aber ein Geschenk, das sich nicht machen lässt und man sich selbst nicht nehmen und geben kann.

Ein Strahlen in der Stille

Für Schwester Sara ist kontemplatives Leben Heimat und Abenteuer zugleich

Schwester Sara lacht viel, spricht mit süddeutschem Akzent und Temperament — mitten in Westfalen. In klösterlicher Ruhe. „Sie sind zu lebendig, reden viel.“ Vor vielen Jahren hatte das eine ältere Ordensfrau einmal zu ihr gesagt. Ein kontemplatives Leben wäre nichts für sie. Doch genau dies hatte die heute 39 -Jährige sehr bald angezogen.

Sie war 18 Jahre alt gewesen — „da drehte Christus mein Leben um“. So sagt sie das heute. Ein Jahr, nachdem sie ihre Ewigen Gelübde im Karmel St. Michael in Dorsten-Lembeck abgelegt hat. Doch eigentlich war es die junge Sara gewesen, die sich damals nach Ihm umgedreht hatte. Nach der Stimme hinter ihr: „Mich gibt es wirklich!“ — Doch da war niemand gewesen. Hinter ihr. Da war einer in ihr: Christus.

Diese „lebendige Christus-Erfahrung“ hat die junge Frau nicht mehr losgelassen. Viel habe sie danach mit Jesus gesprochen. In ihrer eigenen kleinen Gebetsecke. Mit 19 gar in ein Kloster eintreten wollen, „im Überschwang“. Doch: Sie hat es nicht getan. Denn da war noch ein anderer Wunsch gewesen, ein starker: Jener nach einer Familie. Einer „Großfamilie“ gar, sagt Schwester Sara und lacht wieder. — Beides wuchs in ihr während ihrer Ausbildung und Arbeit als Erzieherin. Heute blickt sie zurück und erkennt: „Eine Sehnsucht nach Mehr, die habe ich gehabt.“

Im Alter von 25 Jahren hat dieses konturenlose „Mehr“ Ecken und Kanten bekommen, konkrete Gestalt. Bei Exerzitien in klösterlicher Umgebung. In der Stille hoffte sie zu erfahren: „Was will Gott von mir?“ „Ich habe damals immer wieder bewusst Zeiten der Stille gesucht, um die Ruhe zu finden, die Gott hörbar werden lässt. Es ist ein Vorurteil, dass extrovertierte Menschen nicht zur Kontemplation geeignet sind. Gerade diese brauchen viel Stille.“

Als sie durch das Tor des Klosters fährt, hat sie das Gefühl: „Ich komme nach Hause!“ Und weint. „Ich wusste: Das ist die Trennung.“ Von der Familie, von Freunden – und dem Wunsch nach eigenen Kindern. Auch heute gesteht Sr. Sara sich ein: „Der Schmerz der fehlenden Mutterschaft ist da.“ Doch habe sie durch den Klostereintritt nicht aufgehört, Frau zu sein. Als Ordens-Frau will sie die „Freundschaft mit Jesus leben.“ In Stille.

Beklemmend war dieses nie für die zierliche Frau mit den wachen Augen. Das „innere Gebet“, das sie den „Saft des Baumes“ nennt, während die verschiedenen Gebetsarten die Äste darstellten, war für sie „stimmig“. Von Anfang an. Dieses „liebende Aufmerken auf Christus hin“, dessen Form in der Verantwortung jeder Schwester liegt, müsse nicht immer mit Gedanken ausgefüllt sein. Das Dasein genüge. Sensibel werde man, für Gott, für sich selbst, für die Umwelt. Vertrauen gewinne man in Christus, der da sei, auch wenn man es nicht spüre. Das verpflichtet ebenfalls zur steten Aufmerksamkeit — in Treue. Gerade für die Menschen, denen man noch stärker verbunden sei als im Trubel „draußen“. „Ich trage ihre Anliegen jetzt anders mit.“

Kontemplatives Leben — für Schwester Sara ist das ihr Weg, ihr „Abenteuer“. Ihre Lebendigkeit — sie ist für die Ordensfrau Ausdruck einer lebendigen Beziehung zu Gott und den Menschen. Ihr stetes Gebet keine Pflichterfüllung, sondern eine „Struktur, die hilft zu leben“. Zu jeder Zeit — mit Gott: „Wenn in der Wüstenzeit andere sagen: ‚Du strahlst ja!‘ — Da merke ich: Das kommt nicht von mir!“

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